Hier möchte ich ein wunderschönes Zitat Jack Kornfield mit dir teilen:

«Beugen Sie sich über Ihren Schmerz wie über ein Kind, das Sie sanft streicheln möchten.»

Ich habe unzählige Bücher gelesen, Seminare und Kurse besucht und eine Ausbildung nach der anderen absolviert. Ich war eine ständig Suchende und kam nie zur Ruhe, es reichte nie. Ich wollte nicht mehr Opfer meiner Vergangenheit sein. Ich wollte keine Menschen und Situationen mehr in mein Leben ziehen, die meine alten Programme immer und immer wieder aktivierten. Ich war so müde und hatte einfach genug.

Vielmehr wünschte ich mir, endlich in meine Grösse zu kommen, endlich meine Träume zu verwirklichen, für die ich so lange und unermüdlich gearbeitet hatte. Ich fand immer mehr den Mut, Situationen, Lebensumstände und Beziehungen hinter mir zu lassen, die sich nicht mehr gut anfühlten oder die mir (vermeintlich) Sicherheit gaben. Ich veränderte meine Perspektive vollkommen und wandte mich endlich mir zu, mir und meinem Herzen. Denn genau da lag der Schlüssel, nachdem ich mein ganzes Leben lang gesucht hatte.

Ich fing an, mein Leben, meine Kindheit, ja all die Verletzungen aus der Vergangenheit – genau so, wie sie waren – anzunehmen. Ich schloss Frieden und wusste, alles folgte einem höheren Sinn. Ich heilte meine Wunden, indem ich sie bewusst fühlte. Ich wandte mich ihnen zärtlich zu und ging ganz sanft mit ihnen um. Ein höherer Anteil von mir – ein geheiltes Ich – nahm die kleine Verletzte in den Arm, beruhigte und tröstete sie. Endlich war jemand da!

Indem ich mich meinem Schmerz bewusst zugewandt habe, ihn fühlte und lernte, mit ihm zu sein und vor allem zu bleiben, habe ich wirklich zu mir gefunden. Ich habe von ihm gelernt, dass er immer etwas vor mir verbirgt, das sehr kostbar ist. Ich habe gelernt, ihm Raum zu geben, ihn zu würdigen und ihm all die Liebe zu schenken, die er so dringend brauchte. So, wie eine Mutter ihr Kind liebt, bedingungslos. Heute weiss ich, Schmerz braucht keine Bücher, keine Logik und keine Analysen. Es ist nicht einmal unbedingt wichtig, zu wissen, woher er kommt und wie er entstanden ist. Das einzige, was er braucht, ist MEINE Zuwendung und meine bedingungslose Liebe.

Schmerz ist eingeschlossene Lebensenergie, festgehaltene Liebe. Er ist ein Teil von uns, den wir nicht mehr berühren können. Diese Teile sind unglaublich verletzlich, unglaublich zart und unglaublich mitfühlend. Sie brauchen uns, sie brauchen unsere behutsame Nähe. Nicht der Schmerz ist das eigentliche Problem, sondern der Widerstand, den wir haben, ihn zu berühren. Auch die Angst ist nicht das Problem, sondern unser Widerstand, die Angst wirklich zu fühlen, ihr in die Augen zu blicken und dem Geschenk zu vertrauen, welches hinter ihr verborgen liegt.

Es geht nicht darum, im Schmerz, in der Angst oder gar im Selbstmitleid zu versinken und sich damit zu identifizieren, denn dies wäre eine Identifikation mit dem Mangel. Es geht auch nicht darum, die Angst oder den Schmerz zu verurteilen und wegmachen zu wollen, denn das funktioniert nicht. Weh tut es, weil da was drin ist, was zu uns gehört. Wir kommen aber da nicht mehr hin, denn der lebendige Fluss ist an dieser Stelle gestört, er wurde irgendeinmal aus guten Gründen von uns weggebracht, in Sicherheit. Und da haben wir ihn vergessen.

Und nun dürfen wir lernen, wieder dahin zu gehen, diesen Schmerz wahr zu nehmen, ihn behutsam zu streicheln und uns ihm zu zu wenden. Wichtig dabei ist, dass wir den Kopf draussen lassen und nicht ins Denken gehen. Das bewusste FÜHLEN ist wichtig! Es geht darum, wach, offen und ganz präsent im Körper zu sein. Sich von ihm zeigen zu lassen, wo die Angst, der Schmerz sitzt. Er weiss es genau, denn er hat alles gespeichert.

Im Laufe des Lebens hat unser ganzes System sich daran gewöhnt, auf eine bestimmte Art mit Schmerz und Angst eingeschränkt zu leben. Oft merken wir das gar nicht, denn wir halten das für unser Leben, für unsere Wirklichkeit. Wir begrenzen uns selber und fühlen uns dem Leben ausgeliefert und machtlos. Nun wollen wir aber aus dieser Begrenzung raus und jetzt tut es weh und die Angst kommt.

Und genau jetzt geht es darum – und es gibt KEINEN anderen Weg – mitten durch den Schmerz und durch die Angst hindurch zu gehen und zu BLEIBEN! Wieder und wieder ganz geduldig und liebevoll … atmen, bleiben und wenn was kommt von dem wir denken: «Ich schaff das nicht!», … nochmals atmen und zärtlich präsent bleiben, fühlen. Millimeter für Millimeter. Und plötzlich öffnet sich was, vielleicht wird es still, vielleicht entsteht eine Ruhe. Wir finden uns, wir berühren uns und schenken uns da Zuwendung, wo wir sie so dringend brauchen. Wir kommen mit Ebenen in uns in Kontakt, die so lange verschlossen waren, zu denen wir keinen Zugang mehr fanden. Wir holen etwas zurück, das zu uns gehört und so schon lange auf uns gewartet hat. Und wir heilen es, bringen es nach Hause.

Wir sind nicht der Schmerz, wir sind nicht die Angst, wir sind nicht unsere Gefühle und wir sind auch nicht unser Körper. Etwas aus der Vergangenheit hat in uns gewirkt, etwas wollte geheilt, nach Hause gebracht werden. Etwas, was wir schon lange vergessen hatten, wurde befreit und wieder integriert. Es hat so lange auf uns gewartet.

Der Weg in unsere Kraft und in unsere Grösse geht durch den Schmerz und die Angst mitten hindurch, denn genau da drin sind die Wachstumsmöglichkeiten und die Chancen, nach denen wir uns so lange sehnten. Indem Altes, Schmerzvolles gehen darf, öffnen sich neue Türen. Die Hingabe, das Annehmen, das bewusste FÜHLEN dessen, was ist, ohne es zu bewerten oder weg haben zu wollen, führt zu Heilung. Neue Kräfte, neuer Mut, Dinge zu tun, die man vorher nie gewagt hätte, entwickeln sich. Neue Wege eröffnen sich und wir hören auf, gegen das Leben, gegen uns zu kämpfen. Wir lernen, uns unseren Gefühlen bewusst zu zu wenden. Wir erweitern uns, wir vergrössern uns, wir dehnen uns aus und sprengen unsere Grenzen. Wir wachsen in unser WAHRES Wesen.

In Liebe